in memoriam

Helmut Hähnel (11.01.1913 - 17.02.2000)

Es ist ein Zufall gewesen, dass ich gestern bei der Suche nach Kürzungen in früheren Heften der “Neuen Stenografischen Praxis” den Nachruf eines Mannes fand, der die meisten stenografischen Wettschreiber in der ehemaligen DDR in nachhaltiger Weise beeinflusst hat. Da er heute seinen 106. Geburtstag begehen würde, ist das für mich Anlass, einmal auch aus ganz persönlicher Sicht an ihn zu erinnern.

Helmut Hähnel wurde in Meißen, also in der Nähe von Dresden, geboren. Die Stenografie faszinierte ihn seit früher Jugend, aber erst einmal erwarb er einen Abschluss als Volksschullehrer. Parlamentsstenograf - sein eigentlicher Berufswunsch - konnte er erst nach dem Zweiten Weltkrieg werden. Er schrieb dann freiberuflich am Sächsischen Landtag, aber auch bei Tagungen von Parteien und Massenorganisationen. Nach der Gründung der DDR wurde er im damaligen Parlament, der Volkskammer, als Parlamentsstenograf eingestellt. Später leitete er das dortige Stenografische Amt.

Als 1960 die Deutsche Gesellschaft für Stenografie und Maschinenschreiben (DGSM), das Pendant zum heutigen Deutschen Stenografenbund, gegründet wurde, wählte man ihn zum ersten Präsidenten. Als er diese Funktion durch den Entscheid von staatlicher Seite aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Wehrmacht nicht mehr ausüben durfte, schied er auch aus der Volkskammer aus und arbeitete von da an als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der DGSM. Hier war er als Vorsitzender des Systemausschusses federführend an der Reform der Deutschen Stenografie beteiligt.

Genau diese Stenografie - ein wesentlicher Vorteil war die starke Vereinfachung der untersten Schriftstufe, der Notizschrift - hatte ich in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts im Selbststudium in all ihren drei Stufen erlernt. Da die Beispielsammlung für die höchste Stufe, die Redeschrift, damals gerade nicht im Buchhandel zu finden war, wandte ich mich mit der Bitte um Hilfe an die Redaktion des “Stenopraktikers”, der monatlichen Zeitschrift der DGSM. Daraufhin antwortete mir - und nun kommt der persönliche Teil - Helmut Hähnel.

Stenobrief

Dass dieser Brief als eine meiner privaten stenografischen Reliquien heute noch existiert, zeigt sicher, welche Bedeutung er für mein weiteres Leben hatte. Helmut Hähnel war nämlich auch der Trainer der Nationalmannschaft Stenografie - es gab so etwas in der DDR übrigens auch fürs Maschinenschreiben - und führte - für die, die den Inhalt des Bildes nicht entziffern können, sei es erläutert - unterstützt von weiteren Lehrkräften zweimal im Jahr einwöchige Lehrgänge durch, in denen die Mitglieder und Kandidaten dieser Mannschaft meist in zwei Leistungsgruppen trainierten und zu denen auch immer talentierte Nachwuchsschreiber eingeladen wurden, um zu testen, welches Potenzial in ihnen steckt. Hierzu wurde mir nun auch Gelegenheit geboten. Das führte zu der wohl einmaligen Situation, dass jemand, der noch nie eine einzige Ansage bekommen hatte - mich hatte immer nur interessiert, wie Stenografie theoretisch funktioniert -, den Stift in die Hand nehmen musste, um da mitzuhalten. Das Ergebnis war, wie nicht anders zu erwarten, eher - um es freundlich auszudrücken - nicht so berauschend.

Aber ich hatte in der Woche “Blut geleckt” und begann danach, wirklich zu trainieren. So wurde ich nach den ersten guten Wettschreibergebnissen irgendwann auch wieder zu den Lehrgängen eingeladen und bin heute noch davon geprägt, wie Helmut uns forderte und förderte. Wir lernten, wie wichtig es ist, an den entscheidenden Stellen Endungen mitzuschreiben, aber auch manches über Stilistik und Allgemeinbildung. Natürlich wurde über Kürzungen gefachsimpelt. Dass er einmal in der Rubrik “Hohe Praxis” des “Stenopraktikers”, die er auch betreute, eine Kürzung von mir übernommen und extra vorgestellt hatte, war neben den Berufungen in die Kandidaten- und später auch Nationalmannschaft eine Sternstunde meiner stenografischen Laufbahn.

Viele von den damals von Helmut Hähnel Geförderten waren - und sind es teilweise heute noch - nach der politischen Wende die Fachkräfte, die in den wieder entstandenen Landesparlamenten die Reden aufnahmen, um sie der Nachwelt zu erhalten. Ein paar von uns sind auch noch als Wettschreiber unterwegs. Jahrzehntelange Freundschaften sind so entstanden, und sogar ein Trainingswochenende haben wir uns erhalten, bei dem wir immer wieder gern von den alten Zeiten sprechen und an unseren Trainer denken, dem wir alle viel zu verdanken haben.

Dass “seine” Deutsche Stenografie nach 1990 nicht mehr gelehrt wurde, hat ihn sicher geschmerzt, aber - um zum Abschluss noch aus dem oben erwähnten Nachruf aus der Feder von Manfred Kehrer zu zitieren -: “Die ungezählten Stenographinnen und Stenographen, deren Entwicklung nicht zuletzt durch Helmut Hähnel bestimmt wurde, werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.”