Nachruf Manfred Kehrer

Die erste Nachricht im Jahr ist eine sehr traurige: Manfred Kehrer ist am 6. Januar nach längerer Krankheit gestorben.

Manfred Kehrer (29.05.1936 - 06.01.2016)

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Am 6. Januar 2016 ist ein Mann von uns gegangen, dessen Leben wie wohl kaum ein anderes nach denen der großen Systemerfinder des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts davon geprägt war, Stenografie als Lebensinhalt zu verstehen und zu versuchen, darin sein Bestes zu geben und mit dem bei diesem Suchen Gefundenen im Sinne Gabelsbergers “Nutzen zu verbreiten” .

Schon mit 10 Jahren lernte er bei seiner Mutter - einer Lehrerin auf diesem Gebiet - stenografieren. Schnell zeigten sich seine Begabung und die Früchte des immerwährenden Fleißes. Das Studium der Slawistik in Leipzig war darum nur eine Zwischenstation, bevor er seine Leidenschaft zum Beruf machte und jahrzehntelang als freiberuflicher Verhandlungsstenograf in der DDR und in später im vereinten Deutschland tätig war. Nachdem ihm im ständigen freundschaftlichen Wettstreit mit der damaligen Spitzenschreibergeneration das stützende Korsett der Einheitskurzschrift zu eng zu werden schien, begann er schon in den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts nach neuen Möglichkeiten zu suchen, die Grenzen des bisher auf diesem Gebiet Gedachten systematisch zu erweitern, ohne die ihm als Praktiker immer wichtige schnelle und sichere Wiederlesbarkeit des Stenogramms zu vernachlässigen. Die Erfolge sind legendär. Dass er 2013 - wenige Tage vor seinem 77. Geburtstag! - mit 475 Silben/Min. - der einzigen 10-Minuten-Übertragung dieses Wettbewerbs - noch einmal Deutscher Meister wurde, war da der krönende Abschluss einer wohl nicht zu überbietenden Laufbahn, in der hier nur am Rande auch an die unglaublichen Leistungen beim Stenografieren in bis zu elf Sprachen bei den Weltmeisterschaften erinnert sei.

Es war ihm dabei in seiner freundlichen, bescheidenen Art immer Herzensangelegenheit, sein Wissen nicht in einem Elfenbeinturm verkümmern zu lassen, sondern allen Interessierten weiter zu geben. Das geschah in ungezählten Artikeln in unseren Fachzeitschriften - die Rubrik “Aktuelle Kürzungen”, die er ins Leben gerufen und jahrelang betreut hat, ist da nur ein Beispiel -, aber auch in Lehrgängen, ob es die für die Stenografenjugend oder die der ehemaligen DDR-Nationalmannschaftsschreiber waren. So war auch die letzte Mail von ihm, die ich am 29.12. erhielt, eine Antwort auf meine Anfrage zu Kürzungsmöglichkeiten des immer häufiger verwendeten Wortes Diskurs, das, wie er meinte, eines der wenigen Wörter war, für die er nach der mit der deutschen Wiedervereinigung verbundenen Umstellung des Wortschatzes eine neue Kürzung gesucht und gefunden hat.

Meine Wünsche an ihn für ein gutes neues Jahr sind nun leider nicht in Erfüllung gegangen. So bleibt uns nur, seiner Frau Waltraud unser tief empfundenes Beileid auszudrücken und ihr zu versichern, dass wir - und ich weiß, dass ich da im Namen sehr vieler Stenografen in Deutschland, aber auch im nahen Ausland spreche - Manfred für immer in unserem Herzen tragen werden.

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Für den Leipziger Verein hoffe ich, dass sich jemand findet, der die Stelle des Vorsitzenden übernimmt, die Manfred seit der Vereinsgründung innehatte, um Leipzig mit seiner langen stenografischen Tradition nicht zu einem weiteren weißen Fleck auf der schreibtechnischen Landkarte werden zu lassen.

PS. Dass ich an Manfreds Todestag - ohne davon zu wissen - aus irgendeinem inneren Anstoß begonnen habe, meine Fotosammlung nach Bildern für einen Nachruf für ihn zu durchsuchen und das oben zu findende zwei Tage später bearbeitete, um dann, nachdem ich das mir selbst merkwürdige Vorgehen meiner Frau erzählt hatte, beim Blick auf mein Smartphone die Todesnachricht zu lesen, wird wohl nun immer zu den in meiner von Rationalität geprägten Weltsicht eigentlich nicht vorgesehenen Mysterien gehören.